Nach den Jamaika-Sondierungen

Nach über vier Wochen intensiver Sondierungen hat die FDP für sich erklärt, die Verhandlungen abzubrechen. Für die CDU/CSU und uns war dieser Abbruch überraschend, da wir bis zum Schluss in harten Verhandlungen die Chance gesehen haben zusammenzukommen. Wir hatten den Wählerauftrag, bei schwierigen Mehrheitsverhältnissen über eine Koalition zu verhandeln, die die großen Zukunftsfragen mutig anpackt: Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung, eine humane und geordnete Flüchtlingspolitik, moderne soziale Sicherheit, eine wertebasierte Außenpolitik.

Keine Partei kann in einer solchen Konstellation 100% durchsetzen. Wir Grüne wissen das. Eine solche Koalition kann nur funktionieren, wenn jeder bereit ist, inhaltliche Zugeständnisse zu machen. Wir haben sehr verantwortlich weit über unsere Schmerzgrenzen hinaus sondiert, um dieses schwierige Bündnis möglich zu machen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die FDP dazu nicht bereit war. Wir bedauern das. Unser Land braucht eine stabile und handlungsfähige Regierung – auch in der Verantwortung für Europa. Eine vierer Konstellation erfordert viele Kompromisse. Wir haben in den Sondierungen besonders für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Humanität gekämpft. Das war an vielen Stellen mit der Union und der FDP sehr mühsam. Dennoch haben wir nie aufgegeben, da Jamaika die einzige Regierungsmehrheit war. Alle vier Parteien waren in der Verantwortung. 

Kompromissbereitschaft bedeutet eigentlich, dass man sich in der Mitte trifft. Wichtiger als eine allgemeine Kompromissbereitschaft ist eine gezielte Zugeständnisbereitschaft in zentralen Themenfeldern. Bei den Sondierungen für die Jamaika-Koalition hätte dies bedeutet, dass die Parteien wechselseitig Zugeständnisse bei den Themen machen, die für die anderen am wichtigsten sind. Seien es Zugeständnisse der Grünen an die FDP bei der Steuerpolitik oder Zugeständnisse der Union an die Grünen bei der Klimapolitik.

Einen Vertrauensbruch konnte man mehrfach in den Verhandlungen beobachten, beispielsweise als vertrauliche Informationen von verschiedenen Akteuren unterschiedlicher Parteien aus strategischen Gründen in die Öffentlichkeit getragen wurden. Auch der plötzliche Wechsel von Strategien und Zielen hat zu einem Vertrauensbruch geführt, wie beispielsweise der Schulterschluss der FDP mit der CSU beim Familiennachzug unmittelbar vor Ende der Verhandlungen. Spiegelbildlich für das mangelnde Vertrauen ist, dass Herr Linder den Abbruch mit fehlendem Vertrauen rechtfertigt und dann allein vor die Presse tritt, ohne dies gemeinsam mit den anderen Parteien abzusprechen bzw. gemeinsam mit ihnen vor die Presse zu treten. Daran kann man erkennen, dass am Ende der Verhandlungen strategische Überlegungen wichtiger waren als der Wille zur Einigung.

Dazu unser Bundestagskandidat und Sprecher Patrick Voss: „Die FDP möchte in einer Jamaika Konstellation keine Verantwortung mehr übernehmen. Ich werde den Eindruck bei bereits vorbereiteten SharePics für die sozialen Netzwerke, bei vorgeschrieben Pressestatements nicht los, dass dieser Schritt eine reine Show-Einlage der Christian Lindner FDP gewesen ist, die lange zuvor geplant war. Eine Show auf Kosten des ganzen Landes.

Wir müssen nun schauen, wie es weitergeht. Wir bleiben weiterhin kompromissbereit – das gehört zur Demokratie dazu – haben aber auch ganz klare Grenzen für eine Regierungsbeteiligung. Es gibt noch weitere Mehrheitsoptionen neben der großen Koalition oder Jamaika: Kenia oder die Ampel Plus. Darüber muss gesprochen werden, auch wenn es nicht einfach werden wird. Aber so ist nunmal das Votum der Wählerinnen und Wähler gewesen. Die SPD darf sich nicht weiter aus der Verantwortung ziehen. Für die Linke gilt das selbe.“